Wenn die Zeiten härter werden und einem das Leben die Rosen nicht mehr
in den Schoß wirft, zeigt sich, aus welchem Holz wir geschnitzt sind und ob wir
auch über die Skills verfügen, die es uns ermöglichen, gleich einem Phönix aus
der Asche zu steigen und uns neu zu erschaffen. Es sind die Niederlagen, die
uns wachsen lassen; es sind die von uns begangenen Fehler, die uns davor
bewahren, zwei Mal in die gleiche Falle zu tappen. Es ist der Überlebenswille,
der uns veranlasst, den gestreckten Mittelfinger gen Himmel zu erheben und zu
schreien: „Ihr kriegt mich nicht! Jetzt noch nicht!“
Doch manchmal waren es zu viele Hürden, die wir nicht überwinden
konnten; zu viele Abstürze, die uns das Genick gebrochen haben. Und dann gilt
der Satz auf einmal nicht mehr: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.
Denn dann bleibt dir nur noch der schleichende Tod, das Ausgebrannt-Sein, die
Unmöglichkeit, nur noch einen einzigen Schritt vorwärts – oder auch zurück – zu
machen, um deinem Labyrinth der Selbstzerfleischung zu entgehen. Dann bleibst
du in dir gefangen, drehst dich so oft im Kreis, bis die Bewegung selbst zum
Stillstand wird, bis das Verharren in Todesangst zum Flucht-Plan, zur
Lebensstrategie geworden ist. Dann wirst du zum Schwarzen Loch, dem keine
Materie, kein Gedanke, keine Inspiration mehr entweicht – ganz zu schweigen von
dir selbst.
In diesem Stadium kannst du Information immer noch aufsaugen; jedoch
wirst du sie nicht mehr in konstruktiven Output verwerten können und als solchen
in die Gesellschaft zurückwerfen können. Sie fällt wieder auf dich zurück –
ungehört, ungesehen von deiner Umwelt. Und du verharrst in deinem dir selbst
geschaffenen Käfig von Universum – einer Welt, die so schlüssig wirkt, dass dir
gar nicht auffällt, wie sie sich immer mehr von der deinen Mitmenschen entkoppelt,
bis du schließlich als abgeschlossene Entität vor dich hin treibst. Du wirst zu
deinem eigenen Universum – mit deinen eigenen Regeln. Vielleicht ist es da ja
ganz schön, aber da es sich dabei um ein Schwarzes Loch handelt, werden
sämtliche Einladungen, die du an Freunde und Verwandte verschickst, nie
ankommen – und sie werden dich nie besuchen kommen, um an dieser vermeintlichen
Schönheit deines Universums teilzuhaben. Denn sie werden in ihrem Universum, in
ihrer Realität leben – und deine wird damit nicht mehr viel zu tun haben.
Aber natürlich gibt es auch für Außenstehende eine Möglichkeit, Teil deines
Schwarzen Loches zu werden. Kommt man deinem Universum nämlich zu nahe, schafft
man es irgendwann nicht mehr rechtzeitig, sich dem immer stärker werdenden
Gravitationssog zu entziehen; man wird früher oder später unweigerlich der
eigenen Realität entrissen und von deinem Schwarzen Loch absorbiert. Man wird
Teil des in sich geschlossenen Universums eines anderen – ohne Verbindung zu
seinem eigenen Universum und daher auch ohne Erdung, ohne eigene Lebensziele
und ohne Chance auf Flucht. Man ist zu lange im Orbit gekreist, hat nicht
rechtzeitig gemerkt, wann man die Haftung an die eigene Welt verloren hat. Und
bevor es einem wirklich bewusst wird, hat man die Möglichkeit auf einen
Absprung auch schon verpasst.
So wächst sie also – die von der ungeheuerlichen Anziehungskraft
verschluckte Materie. Und sie lässt auch das Schwarze Loch wachsen. Schließlich
wiegen zwei verlorene Seelen allemal schwerer als eine. Mein eigenes Schwarzes
Loch hatte noch einen Ausgang – manchmal habe ich ihn gefunden, manchmal sogar
durchschritten. Und es hat dann auch gut getan, die Welt aus dieser anderen,
weniger schwarzen Perspektive zu betrachten. Den Ausgang aus deinem Schwarzen
Loch kenne ich nicht; denn nur die Architekten selbst verfügen über die
Baupläne ihrer Konstruktionen. Du wirst den Ausgang also für uns beide finden
müssen. Oder wir bleiben auf ewig gefangen – im Dunkeln.
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