Sonntag, 13. Juni 2010

Das Sommernachtskonzert 2010 – Österreich-Werbung als Gratwanderung: Wenn Monarchie-Boden Dekadenz und Korruption vereint ...

Am 8. Juni 2010 war es wieder einmal soweit: Bei ausnahmsweise strahlend schönem Wetter und drückender Hitze gaben sich die Wiener Philharmoniker unter Dirigent Franz Welser-Möst im Schlosspark von Schloss Schönbrunn die Ehre, um gratis dem Wiener Publikum – und jedem, der sonst noch klassischer Musik etwas abgewinnen kann oder einfach nur dabei sein wollte – vor Augen zu führen, dass Österreich zumindest in diesem Aspekt zu den tonangebenden Nationen in der Welt zählt.

Auch ich, die ich meinen Tag gedanklich schon ad acta gelegt hatte und ob einer penetranten Verkühlung ständig nach Luft rang, musste mir, daheim vor meinem Fernseher sitzend, spätestens nach dem Imperial March aus Star Wars, der mir – nicht verkühlungsbedingte – Schauer über den Rücken jagte, eingestehen: Ja, die können was!! Banausin, die ich bin, war ich natürlich nicht wirklich mit Strauß oder Lanner zu ködern – nein, die Filmmusik von John Williams hat mir endgültig den gebührenden Respekt vor den Wiener Philharmonikern eingeflößt. Klar, ich wusste schon vorher: Die sind echt gut, die sind Weltklasse! Aber ich nehme an, es gibt wohl mehr Leute wie mich, die nicht einen unmittelbaren Zugang zu klassischer Musik haben und die am 8. Juni wohl nicht den Fernseher eingeschaltet hätten oder gar nach Schönbrunn gepilgert wären, wenn neben klassischer Musik nicht auch die Filmmusik von Star Wars am Programm gestanden wäre.

In Zeiten, da die Politik angestrengt darüber diskutiert, wie man das Loch im Budget stopfen und der Wirtschaft wieder auf die Sprünge helfen könnte, hat es noch nie geschadet, sich auf die Stärken des Landes zu besinnen und diese bestmöglich zu vermarkten. Die Kombination zweier Haupt-Exportschlager – klassischer Musik und Schönbrunn – war seit jeher ein genialer Schachzug der Organisatoren des Sommernachtskonzertes, das auch heuer wieder mit seiner Übertragung in 60 Länder weltweit perfekte PR für Österreich, insbesondere für Wien, abgeliefert hat. Dass man diesmal mit der Filmmusik zu Star Wars bewusst versucht hat, auch ein anderes Zielpublikum anzusprechen, lässt mich doch tatsächlich hoffen, dass Österreichs Eigenvermarktung doch nicht so verstaubt und traditionsverkrustet ist, wie ich bisher geglaubt habe. Natürlich liegen viele Qualitäten unseres Landes in seiner Geschichte und deren „Relikten“ begründet – das verbietet aber keine aktuelle Auseinandersetzung mit ihnen und sollte auch nicht als Selbstläufer verstanden werden, der keine Aufbereitung für ein jüngeres Zielpublikum erfordert. Die Wiener Bequemlichkeit mag auf so manchen Außenstehenden reizvoll wirken – gibt es aber davon zu viel in der Österreich-Werbung, läuft unser kleines Land Gefahr, irgendwann vom Rest der Welt vergessen zu werden.

Das Sommernachtskonzert 2010 war in dieser Hinsicht allerdings ein wohltuender Schritt in eine neue Richtung, die hoffentlich beibehalten wird. Leider offenbarte die weltweite Übertragung aber nicht nur die schönsten Seiten der Alpenrepublik: Brav aufgefädelt hatte sich in den ersten Reihen vom Bundespräsidenten abwärts so ziemlich alles eingefunden, was in Österreichs Politik und Society – mehr oder weniger – Rang und Namen hat. Dass das Konzert für manche dieser Personen auch kein Vergnügen, sondern nur Pflichtübung war, vermochten einige gekonnter, andere nur kaum zu verbergen. So dürfte Vizekanzler Josef Pröll an diesem Abend über den privilegierten Platz in der ersten Reihe kaum erfreut gewesen sein, konnte er mit seiner Langeweile doch kaum hinterm Berg halten. Offenbar ist der „Bauer“ von seinen Medienberatern auch bisher nie darauf hingewiesen worden, dass bei Großereignissen wie diesem Konzert in Schönbrunn durchaus die Möglichkeit besteht, dass mehrere Kamerateams im Einsatz sein werden. Ein demonstratives Klatschen in die Kamera von links konnte deshalb nicht wirklich den Fauxpas ausmerzen, dass Pröll Sekunden zuvor von der Kamera von rechts erwischt wurde, als er sich unter seinen brav klatschenden Politiker-Kollegen demonstrativ zurücklehnte, die Arme verschränkte und sein Mei-is-des-langweilig-i-wü-endlich-hoam-Gesicht aufsetzte.

Man muss nicht jede Musik mögen. Man sollte aber zumindest in der Lage sein, die Leistung der Wiener Philharmoniker anzuerkennen und den Künstlern den nötigen Respekt zu zollen. Wenn man nicht einmal dazu geneigt ist, wäre es für einen der führenden politischen Köpfe unseres Landes zumindest von Vorteil, sich vor Augen zu halten, dass die eigene Anwesenheit bei so einem Event auch Repräsentantenfunktion hat. Wenn ein Konzert des führenden Orchesters von Österreich vor einer unserer wichtigsten Tourismus-Attraktionen weltweit übertragen wird und dabei die Politiker des Austragungslandes mit einem faden Aug und einem gezwungen Lächeln – und selbst dafür hat streckenweise nicht mehr gereicht – in die Kamera blicken, ist das natürlich Österreich-Werbung erster Güte! Tu felix Austria – was kannst du stolz auf deine Politiker sein!

Und weil wir schon von Stolz reden, an dieser Stelle noch ein Postskriptum: Wenn einen die Performance der Wiener Philharmoniker oder aber auch die des ehrwürdigen Vizekanzlers nicht vollends in Beschlag genommen hat, konnte man nur wenige Reihen dahinter noch ein weiteres interessantes Gesicht entdecken – Alfons Mensdorff-Pouilly, seines Zeichens Waffen-Lobbyist für den britischen Rüstungskonzern BAE Systems. In dieser Funktion soll er sich der Bestechung schuldig gemacht haben. Der Verdacht erstreckt sich über die Zahlung von Provisionsgeldern im Zusammenhang mit dem geplanten Ankauf der Saab-Gripen durch Tschechien und Ungarn bis hin zur Beeinflussung der Ausschreibung für den Kauf von Jagdflugzeugen durch die österreichische Regierung, in der später der verlustträchtige Eurofighter das Rennen machen sollte. Darüber hinaus soll Mensdorff-Pouilly vor dem Eurofighter-Untersuchungsausschuss eine falsche Zeugenaussage gemacht haben. Auch etwaige Verbindungen zur Siemens-Schmiergeldaffäre sind unter anderem ein Untersuchungsgegenstand. (Natürlich gilt die Unschuldsvermutung.) In Großbritannien konnte ein Verfahren gegen Mensdorff-Pouilly mit einer Zahlung von rund 280 Millionen Pfund abgewendet werden. Es bleibt abzuwarten, wie er sich in Österreich aus der Affäre ziehen wird. Aber hierzulande mahlen die Mühlen der Justiz ja bekanntlich äußerst langsam.

Aber auch das ist Österreich-Werbung, die sicher da und dort auf ein offenes Ohr stößt. Ganz nach dem Motto: Kommen Sie zu uns! Hier sitzen Sie auch dann noch in der Ehrenloge, wenn Sie uns beschissen haben!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen