Warum die Schöpfungsgeschichte auch für
Atheisten funktioniert und alle einfach nur einmal tief durchatmen sollten
Wenn
ich die Nachrichten sehe, bekomme ich schlechte Laune. Um mich herum versinkt
die Welt in dem Schlamassel, den sie sich selbst fein säuberlich aufgebaut hat
– und erstaunt zeigt man sich über die Entwicklungen auch noch!
Muss
man wohl auch; wie sonst könnte man sonst erklären, dass man aus der sich immer
und immer wiederholenden Geschichte denn noch immer nicht gelernt hat? Und so
befinden wir uns nun wieder in einer Phase der wirtschaftlichen Depression –
die Menschen sind hoffnungslos. Und wo suchen sie – normalerweise bekanntlich –
in solchen Phasen Trost? Im Glauben. Nicht sonderlich überraschend also der
verstärkte religiöse Fundamentalismus an allen theologischen Fronten – Warnung
vor Satans Jüngern in den anderen Religionen und dem drohenden Armageddon inklusive
(ca. ein Mal jedes Jahr – für jede Religion mindestens ein Mal). Und wehe dabei
jenen, die die/den einzig Wahre/-n (eben je nach theologischer Ausrichtung,
political correctness!) anzweifeln, diskreditieren, bekämpfen oder – am
schlimmsten – an keinen von ihnen allen glauben! Den sie sind der Abschaum, sie
sind die mit der Wissenschaft (auch so ein Glaube – aber was für lächerliche
Dinge die glauben!), sie sind die ... Atheisten!!
Und
während sich also der Rest der Welt die Köpfe einschlägt und sich Bomben um die
Ohren fetzt, um ein für allemal zu klären, wer den nun der/die einzig Wahre/-n
ist/sind, wird dieses Grüppchen ohnehin von allen als Teufelsanbeter-Club zum
Abschuss freigegeben. Diese wiederum beobachten mit Erstaunen, welche Angst
wissenschaftliche Daten schüren können und mit Hilfe welcher an groteske
Slapstick-Farce grenzender Einlagen ebensolche negiert und als Lügen, ja sogar
Angriff des eigenen Glaubens hysterisch verbellt werden. Hier ist dann stets
der gleiche Mechanismus in abgewandelten Formen zu beobachten, welcher
anthropologischen Sozialstudien zur Terrainverteidigung in aussichtslosen
Situationen enorm viel Datenfutter bieten dürfte: Anstatt die Meinung des – wir
sagen der Einfachheit halber – „Atheisten“ als Meinung eines anderen auf mit
mir ebenbürtiger Ebene stehenden menschlichen Wesens zu akzeptieren und
sachlich meinen – eventuell divergierenden – Standpunkt kundzutun, reagiert der
– wieder der Einfachheit halber eine simplifizierte Rollenverteilung –
„Gläubige“ mit seinen ... animalischen Ur-Instinkten. Ein anschauliches Vergleichsbeispiel
für dieses Verhalten wäre etwa der kleine bescheuerte Wischmob von Hund im
Nachbargarten, der jedes verdammte Mal wie ein Flummy den Zaun entlanghüpft und
auch noch Stunden, nachdem man vorbeigegangen ist, gleich einer hysterische Sirene
im Dauersendemodus kläfft.
So
ein Verhalten hätte mir in der Schule sicher als „unverhältnismäßig“ ein Nicht
Genügend eingebracht. In einer Welt, wo Religion den Platz im Herzen
eingenommen hat, ist jeder Zweifler jemand, der deren Werte in Frage stellt –
diese CHRISTLICHEN Werte. Ja, wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ...
Okay, der war aufgelegt. Wie Nächstenliebe? Hab ich echt noch nie woanders
gehört! Moral, Ehre, Anstand – wie immer man es nennen mag. Diese Dinge halt.
Ja,
ich bin Atheistin. Und wenn mir eine Christin im Fernsehen erzählt, dass sie
als Quintessenz ihres Glaubens ihren Kindern Nächstenliebe, Demut vor der
Schöpfung und das Begreifen, dass es da so viel mehr gibt, dessen Teil wir
sind, beibringen will, dann stellt sich tatsächlich die Hocheckersche Frage:
Und warum sollte ich das als Atheistin meinen Kindern nicht beibringen wollen?
Warum sagt mir diese Gläubige, dass ich nur als Christin in der Lage bin, diese
Grundwerte zu verstehen und zu vermitteln und somit schlechter, böser bin?
Diese ... CHRISTLICHEN Grundwerte? Die ich auch noch nie als ethische
Grundwerte bar jeder theologischen Grundnote kennengelernt habe!! Die ich in
quasi identem Wortlaut auch noch nie in anderen Religionen als deren Grundwerte
vernommen habe. Ist nicht merkwürdig, oder? Nein.
Wie
sind den Religionen entstanden? Jetzt bitte nicht das Ding „Da hat der Gott zu
dem Typen gesprochen ...“. Meine Story, meine Religion: Menschen konnten sich vieles
nicht erklären, was um sie herum passiert; sie benötigten Sündenböcke für
Schicksalsschläge und jemanden, auf den man die Verantwortung für die Scheiße,
die man verbockt hat, abwälzen konnte. Und ein Freibrief für alles, was nicht
ganz so koscher ist, ist auch praktisch – ein kleines Opfer, eine Buße, und dir
ist vergeben. Das eint im Grunde alle Religionen; der Rest ist Kleingedrucktes.
Schade, dass sich bisher keiner die Zeit genommen hat, um einen Schritt
zurückzumachen und auch das Großgedruckte zu lesen. Als Atheistin und
Pazifistin sowie Vertreterin der Prinzipe „Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst“ (wer auch immer sich das jetzt an die Brust heftet) und „Leben und
leben lassen“ frage ich mich allerdings schon, warum so wenig Kleingedrucktes
so viel Blutvergießen verursachen kann. Bei ideologischen Gruppierungen, die
die gleichen Grundwerte wie ich vertreten. Habe ich zumindest gedacht.
Eine
Diskrepanz also, die mich zum Rätseln bringt. Der Dialog scheint das geeignete
Mittel, um Licht ins Dunkel zu bringen. Dialog unter religiösen Gruppierungen
ist immer ein heißes Thema, weil meist viele Spannungsfelder zu beackern sind.
Erstaunlich geeint treten sie aber auf, wenn sie sich gegen die Atheisten
verbünden dürfen. Weil: gar kein Glaube ...?! Hier versucht die Dame im
Fernsehen ja auf die Schöpfungsgeschichte hinzuweisen, und das mit der Demut.
Und ich denke: Lass mich dir meine Schöpfungsgeschichte erzählen! Aus einer
Eizelle ist in neun Monaten ein fertiger Mensch entstanden. In mir vereinigen
sich unzählige Atome zu Verbindungen, die einen Menschen bilden, in
Wirklichkeit aber nicht einmal feste Materie sind. Diese Atome waren vorher
vielleicht Bestandteil eines anderen Menschen, eines Tieres, eines Grashalmes –
eines Planeten. Ich werde also ewig weiterexistieren. Diese
Schöpfungsgeschichte kann ich für jedes Objekt, jedes Lebewesen um mich herum
erzählen – in einem unendlichen und expandieren Universum.
Diese Schöpfungsgeschichte basiert auf Fakten, auf
empirischen Daten, auf Wissenschaft. Und dennoch gleicht diese Geschichte der
Schöpfungsgeschichte. Bin ich wirklich in meinem Glauben so anders?
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